Tierübernahmevertrag

Ein Tier aus einem Tierheim aufzunehmen und ihm ein neues Zuhause zu bieten, ist eine löbliche Tat und letztlich auch eine Form des aktiven Tierschutzes. Wie stets, wenn man ein Tier erwirbt, sollte die Übernahme aus dem Heim aber sorgfältig überlegt sein. Es gilt realistisch abzuwägen, ob man ausreichend Zeit für einen neuen Familiengenossen hat und die allenfalls sehr anspruchsvolle Versorgung und Pflege tatsächlich sicherstellen kann.

Text: Dr. iur. Gieri Bolliger und Dr. iur. Michelle Richner   Titelbild: hedgehog94/stock.adobe.com

Tierheimtiere haben häufig eine traurige Vergangenheit. Viele von ihnen landen im Heim, weil ihre Halter mit ihren Bedürfnissen und Eigenschaften überfordert sind. Die Tiere werden abgeschoben, ausgesetzt oder vernachlässigt. Entgegen dem bisweilen kursierenden Gerücht, Tierheimtiere würden oftmals über ein bösartiges oder anderweitig beeinträchtigtes Wesen verfügen, danken sie ihren neuen Haltern für eine zweite Lebenschance nicht selten durch langjährige Anhänglichkeit. Trotzdem ist zu bedenken, dass gerade die Eingewöhnung sehr zeitintensiv sein kann und nicht immer problemlos verläuft. Am besten besucht man ein Tier vor der Übernahme mehrmals im Tierheim. Bei Hunden tragen natürlich auch Spaziergänge ausserhalb des Zwingers zum gegenseitigen Kennenlernen bei. Schliesslich soll ja eine lange Freundschaft entstehen.

Umfassende Abklärungen vermeiden spätere Gefahrensituationen

Neuhalter sollten sich vor der Übernahme eines Tieres so gut wie möglich über seine Vorgeschichte informieren. Dabei geht es nicht nur darum, wann und aus welchem Grund ein Hund, eine Katze oder ein  Kanarienvogel im Tierheim gelandet ist. Vielmehr weiss das Tierpflegepersonal meist auch über Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen der Tiere Bescheid, die für das künftige Zusammenleben entscheidend sind. So beispielsweise ist es wichtig zu wissen, ob ein Hund an Strassenverkehr gewöhnt ist, an bestimmten Stellen nicht angefasst werden möchte oder wie er sich mit Artgenossen oder Katzen verträgt. Bei einem Hund ist es zudem auch wichtig, zu erfahren, ob er gegenüber Kindern ängstlich oder aggressiv reagiert. Mit solchen Auskünften können mögliche Probleme und Gefahrensituationen von vornherein vermieden werden.

Ein seriöses Tierheim interessiert sich für das mögliche neue Zuhause seiner Schützlinge und erkundigt sich bei potentiellen Neuhaltern nach deren Wohnsituation. Massgebend für die Platzierung ist etwa, ob ein Tier den nötigen Auslauf erhält oder ob in der Mietwohnung die Tierhaltung überhaupt erlaubt ist. Es kann ebenfalls entscheidend sein, wie lange der potentielle Halter tagsüber abwesend ist und ob ein Garten oder Aussengehege zur Verfügung steht. Da in der Regel eine Verantwortung für viele Jahre übernommen wird, hat das Tierheim auch zu prüfen, ob die finanziellen Aufwendungen – insbesondere für Futter, Unterbringung und Tierarzt – vom neuen Halter überhaupt getragen werden können.

Übernahmegebühr als Unkostenbeteiligung

Wer ein Tier aus einem Tierheim aufnimmt, schliesst mit diesem einen Kaufvertrag beziehungsweise einen sogenannten Übernahme- oder Tierplatzierungsvertrag ab. Darin wird entweder der Kaufpreis vereinbart oder festgehalten, dass die bezahlte Geldsumme eine Übernahmegebühr im Sinne einer Unkostenbeteiligung darstellt. Diese Gebühr liegt in der Regel zwischen 20 und einigen 100 Franken und soll einerseits die finanziellen Aufwände des Tierheims zumindest teilweise decken und anderseits eine spontane, unüberlegte Anschaffung verhindern.

Tierheime sind bestrebt, Tiere geimpft, kastriert und – im Fall von Hunden – gechippt abzugeben. Bei Hunden, Katzen und Frettchen erhält der neue Tierhalter zudem einen Heimtierpass für das Tier, der für Grenzübertritte in die EU, nach Norwegen und vor allem auch bei der Rückkehr in die Schweiz notwendig ist.

Dem neuen Halter kann eine Probezeit von beispielsweise einem Monat gewährt werden, um vom Vertrag wieder zurückzutreten. Damit soll verhindert werden, dass ein Tier, das sich am neuen Ort nicht eingewöhnen lässt, bei einem überforderten Halter verbleiben muss oder von diesem an einen ungünstigen Platz weitervermittelt oder sogar ausgesetzt wird. Das Heim erwirbt das Tier in diesem Fall zu einem vorgängig vereinbarten Betrag zurück.

Detaillierte Regelungen bezüglich Mängel am Tier empfehlenswert

Wichtig ist auch die Frage der Haftung für allfällige «Mängel» des Tieres. Obwohl der juristische Mangelbegriff in Bezug auf Lebewesen wenig passend ist, wird er auch bei Tierkäufen verwendet. Aus rechtlicher Sicht liegt ein Mangel dann vor, wenn ein Tier nicht oder nur beschränkt zum vorgesehenen Zweck verwendet werden kann oder wenn der Verkäufer bestimmte Eigenschaften zugesichert hat, die das Tier nicht aufweist. Es ist deshalb ratsam, schriftlich und möglichst detailliert zu regeln, wer dafür einstehen muss, wenn sich nachträglich herausstellt, dass das Tier beispielsweise krank oder besonders aggressiv ist. Grundsätzlich haftet das Tierheim für sämtliche zugesicherten Eigenschaften und Mängel, also auch für jene, von denen es gar nichts wusste. Bezüglich bekannter Krankheiten oder Eigenheiten des Tieres, die zu Schäden führen können, ist das Tierheim natürlich verpflichtet, den Abnehmer aufzuklären.

Der zukünftige Halter hat bei der Übernahme des Tieres eine Prüfpflicht und kann das Tierheim später nicht mehr für Mängel haftbar machen, die er bei der Übernahme bereits gekannt hat. Die Parteien können die Haftung des Tierheims vertraglich – ausser für schriftlich zugesicherte Eigenschaften (beispielsweise dass ein Tier reinrassig oder kastriert ist) und arglistig beziehungsweise bewusst verschwiegene Mängel – aber auch einschränken oder aufheben. Entdeckt der neue Tierhalter einen Mangel, muss er diesen unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb eines Jahres nach der Übernahme des Tieres geltend machen, sofern im Vertrag keine andere Frist vereinbart wurde.
Er hat dann das Recht, den Vertrag rückgängig zu machen oder eine Reduktion des Übernahmepreises zu verlangen.

Nachkontrollen durch das Tierheim

Verantwortungsvolle Tierheime räumen sich häufig ein vertragliches Recht ein, Tierhaltungen nach der Übergabe zu kontrollieren. Entsprechende Klauseln sind zulässig und sollten nicht als Eingriff in die Privatsphäre, sondern vielmehr als Zeichen des Interesses für die Haltungsbedin-gungen der ehemaligen Schützlinge gewertet werden. So sind auch Klauseln üblich, mit deren Hilfe ein Heim bei    begründetem Verdacht auf eine tierschutzwidrige Haltung oder einen Verstoss gegen die vertraglichen Abmachungen das Zuhause des Halters ohne Voranmeldung besichtigen und allenfalls die nötigen Schritte wie eine tierärztliche Untersuchung einleiten darf. Bestätigt der Tierarzt den Verdacht auf eine nicht artgerechte Haltung, kann das Heim das Tier zur vertraglich festgelegten Summe zurückkaufen. Ohne eine solche Vereinbarung besteht hingegen keine Möglichkeit, ein einmal abgegebenes Tier zurück-zufordern. In diesen Fällen kann das Tierheim den Verdacht auf eine Verletzung der Tierschutzgesetzgebung nur noch dem kantonalen Veterinärdienst melden oder eine Strafanzeige bei der Polizei einreichen.

Normalerweise wird ausserdem vereinbart, dass der neue Eigentümer das Tierheim innerhalb einer bestimmten Frist über das Entlaufen oder den Tod des Tieres sowie über einen allfälligen Wohnortwechsel informieren muss. Die Meldepflicht kann auch für ernsthafte Erkrankungen des Tieres festgelegt werden, verbunden mit dem Recht des Tierheims, beim zuständigen Tierarzt Auskünfte über Befunde, Behandlungen und allfällige Todesursachen einzuholen. Zudem wird oft ausdrücklich festgehalten, dass das Tier nicht ohne zwingende tierärztliche Gründe eingeschläfert werden darf. Zur Sicherstellung solcher Abmachungen wird üblicherweise eine Konventionalstrafe – beispielsweise in der Höhe von 500 Franken – vereinbart, die bei Verletzung der vertraglichen Pflichten zu bezahlen ist.

Die Übernahme eines Tierheimtieres ist mit viel Freude und Zuneigung verbunden, sie bedeutet aber auch eine grosse Verantwortung. Wer diesen zeitintensiven Aufwand nicht auf sich nehmen kann, Tiere und ihre Gesellschaft aber dennoch sucht, hat bei vielen Tierheimen die Möglichkeit, Hunde spazieren zu führen oder mit Katzen zu spielen. Wer darüber hinaus etwas für die Tiere tun möchte, unterstützt die häufig auf private Spenden angewiesenen Tierheime oder andere Tierschutzorganisationen am besten mit einer finanziellen Zuwendung.

Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

Spendenkonto PC 87-700700-7
IBAN CH17 0900 0000 8770 0700 7
www.tierimrecht.org