Der Regenwurm – stiller Helfer im Boden

Blind, taub und stumm leistet der Regenwurm im Untergrund Schwerstarbeit. Obwohl er Dünger produziert, der zu den besten der Welt gehört, behandeln wir das arme Würmchen im Garten meist ziemlich stiefmütterlich.

Text: Helen Weiss   Titelbild: Werner/stock.adobe.com

Steckt irgendwo der Wurm drin, bedeutet das meist nichts Gutes. Anders ist es im Garten: Ein Regenwurm im Boden erfreut Hobbygärtnerinnen und Pflanzenfreunde, denn er gehört zu den fleissigsten und unverzichtbarsten Gartenhelfern. Er frisst abgestorbene Pflanzenteile, Ernterückstände und heruntergefallenes Laub; und das mit enormem Appetit: Pro Tag vertilgt ein Regenwurm ungefähr die Hälfte seines eigenen Körpergewichts. Der nachtaktive Wurm zieht in der Dunkelheit gezielt Blätter und Keimlinge in seine unterirdischen Gänge und lässt sie dort verrotten, um sich so einen Nahrungsvorrat anzulegen. Die angelegten Vorräte sorgen für eine gute Durchsetzung des Bodens mit wertvollem Humus.

Doch damit nicht genug: Der dünne Wurm ist ein kleiner Bioreaktor, denn alles, was er frisst und verdaut, kommt hinten als hochwertiger Kompost wieder raus. Regenwurmdung fördert nicht nur die krümelige Struktur des Bodens – der tierische Helfer bildet über seinen Darm zudem spezielle Humus-Komplexe, deren Nährstoffe direkt für die Pflanzen zugänglich sind. Wurmkot enthält dabei fünfmal mehr Stickstoff, siebenmal mehr Phosphat und elfmal mehr Kalium als die normale umgebende Acker- oder Gartenerde – der perfekte natürliche Dünger also.

Lange Tunnels

Stetig fressend und grabend tragen die Regenwürmer zudem zur Lockerung des Bodens bei. Bis zu 150 Gänge oder 900 Meter Röhren pro Kubikmeter finden sich in einem ungepflügten Ackerboden. Und auch im urbanen Milieu sind die «Tunnelbauer» äusserst aktiv. Der Biologe Joël Amossé von der Universität Neuenburg hat in seiner Doktorarbeit nachgewiesen, dass Regenwürmer in einem Stadtboden innerhalb von drei Monaten bis zu zwei Kilometer lange Gänge graben. Diese Tunnelsysteme sorgen für eine gute Durchlüftung und eine ideale Wasserversorgung des Erdreichs.
Bei diesem Fleiss ist es nicht verwunderlich, dass der Regenwurm im 16. Jahrhundert noch «reger Wurm» hiess. Von dieser regen Tätigkeit stammt auch sein heutiger Name. Mit Regen hat der Wurm nämlich gar nichts am Hut, ganz im Gegenteil.
Regen endet häufig tödlich für den Wurm. Nicht etwa, weil er ertrinkt: Die Vermutung, dass er seinen Gang verlässt, um sich vor dem Ertrinken zu retten, konnte widerlegt werden, weil er über keine Atemorgane verfügt und Sauerstoff über die Haut aufnimmt. Der Wurm wird jedoch durch die Vibration der Regentropfen aus der Erde an die Oberfläche gelockt, und dort erwarten ihn zerstörerisches UV-Licht oder eine hungrige Amsel.

Ruhe, bitte!

Der Tauwurm (Lumbricus terrestris) ist der bekannteste Vertreter der Regenwürmer; der Nützling wird häufig auch als Gemeiner Regenwurm bezeichnet. Wo er im Boden zahlreich zu finden ist, brauchen sich die Gärtnerinnen und Gärtner um das Wohl ihrer Pflanzen nicht mehr zu sorgen. Es gilt also, zu den emsigen Bodenarbeitern Sorge zu tragen. Der Gebrauch von schweren Geräten zur Bodenlockerung wie etwa einer Fräse ist deshalb im Garten tabu: Am besten bearbeitet man die Erde mit einer Grabgabel oder einem Sauzahn.

Regenwürmer vertragen keinen Frost. Im Winter ziehen sie sich daher in die tiefen Erdschichten zurück. Für zusätzlichen Schutz – der auch anderen Bodenlebewesen zugutekommt – sorgt eine Mulchschicht aus Herbstlaub, Rindenschnitzeln, Rasenschnitt oder Brennnesseln und Beinwell. Gerade bei Rindenschnitzeln ist jedoch Vorsicht geboten, denn diese führen zur Versauerung der Böden. Und das mögen Regenwürmer gar nicht: So sollte das Erdreich gekalkt werden, wenn der pH-Wert unter 5,5 liegt. Grundsätzlich gilt, den Boden in Ruhe zu lassen und wenig zu bearbeiten. Wer dem Regenwurm helfen will, sollte ihn möglichst wenig stören.

Literatur

Merkblatt Regenwürmer
Baumeister fruchtbarer Böden
FiBL 2013
Kostenloser Download unter shop.fibl.org

Der Regenwurm ist immer der Gärtner
Amy Stewart
Piper Taschenbuch Verlag 2020
ISBN 978-3-492-22869-5