Folgen von Übergewicht bei Katzen

Folgen von Übergewicht bei Katzen

40 Prozent aller Katzen sind übergewichtig, das ist Fakt. Das Grundproblem liegt im Auge des Betrachters: Viele Besitzer sind eher pikiert, wenn man sie auf die Rundungen ihres Haustiers aufmerksam macht. Wie eine normalgewichtige Katze auszusehen hat, scheint Geschmackssache zu sein. Normalgewichtige Katzen sollten durchschnittlich nur 3 – 4 kg Körpergewicht aufweisen.

Text: Dr. med. vet. Silke Hieronymus   Titelbild: Michael Stifter/stock.adobe.com

Bei unseren Wohnungskatzen werden gern mal ein paar Kilos mehr akzeptiert. Zumeist werden in der Praxis Katzen vorgestellt, die deutlich mehr Gewicht auf die Waage bringen. Die individuelle Definition einer normalgewichtigen Katze kann also stark variieren. Eine 7-kg-Katze ist aber meist nicht nur einfach gross oder hat angeblich schwere Knochen, sondern hat 100 Prozent Übergewicht und somit eine ernstzunehmende Erkrankung.

Ursachen des Übergewichtes bei Katzen – Rituale, Schmackhaftigkeit und «Family Food Environment»

«Family Food Environment» definiert die Einstellung der Eltern, sprich hier Haustierbesitzern, gegenüber den Ernährungsgewohnheiten des Familienmitgliedes, in diesem Fall der Hauskatze. Haustiere erwecken oft elterliche Gefühle, man sorgt sich um sie, als ob sie die eigenen Kinder seien oder sie ersetzen gar die Kinder, die man nie hatte. Somit stellt sich auch hier die Schwierigkeit, dem bettelnden Blick standzuhalten oder nichts zu «naschen» zu geben, wenn die Katze einem beim Essen um die Füsse streift. Futter wird als Belohnungs- oder Trostinstrument eingesetzt.

Eine Katze wird somit nicht als Vielfrass geboren, sondern ihr wird das Schlemmen oft antrainiert, indem nur das kredenzt wird, was die Katze mit Heisshunger frisst. Wer Büchse um Büchse öffnet, um das Wohlgefallen der Katze zu erhalten, trainiert das Nasenrümpfen regelrecht an. Die Mieze wird wählerisch konditioniert, der Energiebedarf ist eher sekundär.

Geschicktes Manipulieren des «Futterspenders», Rituale, Sehnsucht nach Zuwendung und Beruhigung des schlechten Gewissens dienen als psychologische Faktoren bei Übergewicht.

Faktor Bewegung

Dazu kommt oft auch noch die mangelnde Bewegung der Katze, die von den Besitzern nicht bewusst wahrgenommen wird. Stubentiger in Grossstädten neigen eher zur Fettleibigkeit als Freigänger auf dem Land.
Bauernhofkatzen im XXL-Format sind eher selten. Die Hofkatzen suchen sich in kalorienzehrenden Streifzügen oft selbst ihre Nahrung und halten ihr Gewicht auch nach einer Kastration recht gut. Haustiger leben eher nur in einem kleinen Bewegungsradius und geniessen das Angebot eines oft zu reichhaltigen Futters, was schlussendlich zu einer Überfütterung führt. Tierhaltern fällt eine schleichende Vermehrung des Körperumfangs meist gar nicht auf.

Faktor Kastration

Bei einer kastrierten Katze findet der Sexualzyklus nicht mehr statt, wodurch ein veränderter Hormonhaushalt vorliegt. Das hat zur Folge, dass der Appetit der Katze steigt, während der Bewegungsdrang und damit der Energiebedarf abnehmen. Wenn die Katze also weiterhin die gewohnte Menge oder gar mehr isst, führt das zu einem Energieüberschuss, der häufig zu Übergewicht führt.

übergewicht bei Hauskatzen

Zuviel Futter in Kombination mit zuwenig Bewegung führt bei immer mehr Katzen zu erheblichem Übergewicht.
Foto: aetb/stock.adobe.com

Faktor Alter

Bei älteren Tieren lassen die Aktivität und Vitalität nach. Die Tiere bewegen sich weniger und benötigen so auch weniger Kalorien. Was ausserdem bedeutet, dass sich der Energie- und Nährstoffbedarf verändert. Fettleibigkeit ist dennoch, im Gegensatz zu Hunden, bei Katzen häufiger im mitt­leren Alter zu beobachten. Alte oder kranke Katzen neigen eher zu Unter­gewicht.

Falsches Einschätzen des täglichen Energiebedarfs

Gerade bei Mehrkatzen-Haushalten wird der Energiebedarf der Gruppe oder des Einzeltieres gerne überschätzt. Zumeist steht, neben dem kalorisch ausreichenden Feuchtfutter, auch immer noch Trockenfutter zur Verfügung. Dieses Phänomen trägt auch zu einer Energie-Imbalanz bei.

Genetische Disposition

Für Wildkatzen ist eine gute Futter­verwertung oft lebensnotwendig. Diese genetische Fähigkeit, Energiereserven gut zu nutzen, scheint bei einigen Rassekatzen oder auch bei der einzelnen Katze besonders ausgeprägt zu sein.

Arzneimittel

Vom Tierarzt verordnete und für die Gesunderhaltung notwendige Arzneimittel wie z. B. Gelbkörperhormon (Progesteron), Hormon der Nebennierenrinde (Cortiko­steroide) und krampflösende Medikamente können krankhaft gesteigerten Appetit auslösen.

Energiebedarf-Empfehlung des National Research Council (NRC)

Nicht ganz schuldlos ist die herkömmliche Definition der Bedarfszahlen für die tägliche Energiezufuhr einer Katze. Viel zu lange hat man den Wandel der Lebensumstände der Katzen und den kontinuierlich sinkenden Energiebedarf der Tiere ignoriert. Zwar wurden in den letzten Jahren von den Nahrungsmittel-Konzernen die Bedarfszahlen angepasst,
es sind aber noch weitere Reduktionen der Bedarfswerte für die Energiezufuhr notwendig. Aktuell wären, laut einiger renommierter Ernährungswissenschaftler, die Mengenangaben der Futtermittelhersteller immer noch 10 Prozent zu hoch.

Folgeschäden des Übergewichts

Fettleibigkeit bzw. Adipositas ist ein Krankheitsbild, das bei erkrankten Hauskatzen schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann. Fettansammlungen im Herz schränken die Muskelaktivität und deren Ausdehnungsfähigkeit und somit die Herz-Kreislauf-Leistung ein. Dies ist besonders heikel für Tiere, die schon zuvor herzkrank waren. Durch die verminderte Leistung kann es dann zu Stauungen kommen, die zu Wasseransammlung in der Lunge oder im gesamten Körper führen.

Massive Fettdepots im Brustraum und Bauchraum führen zu einer Einschränkung der Lungenkapazität. Dies hat eine schnelle Ermüdung nach einer Anstrengung zur Folge.
Starke Fettpolster im Bauchbereich führen zu Darmträgheit und Verstopfung. Adipöse Katzen haben Probleme mit der Narkose und zeigen oft Komplikationen bei Operationen.

Auch die Leber kann geschädigt werden: Durch Fetteinlagerung kommt es zu Störungen der Leberzellfunktion. Die Fettleber, genauer gesagt Hepatische Lipidose, gehört zu den häufigsten Lebererkrankungen bei übergewichtigen Katzen.

Übergewicht oder Fettleibigkeit wirkt sich insgesamt negativ auf den gesamten Organismus aus, sodass somit also das Risiko für die Entwicklung von Arthrose, Diabetes, Haut- und Fellproblemen, Harnstein und möglicherweise auch Krebs steigt.

Adipositas mit eingeschränkter Beweglichkeit der Hauskatze reduziert nicht nur die Wasseraufnahme-Frequenz, sondern vermindert den Nierendurchfluss. Nierenerkrankungen,
zu denen sowieso Katzen in mittlerem bis höherem Alter neigen, werden bei schwergewichtigen Tieren häufiger und in früheren Lebensstadien vermerkt.

Übergewicht beeinträchtigt, meist unbemerkt vom Tierbesitzer, die Lebensqualität der Katze deutlich und löst andere lebensbedrohliche Erkrankungen aus. Die Lebenserwartung der Katze wird hierdurch um ca. 20% verkürzt.

Sollte eine Diät angezeigt sein, helfen besonders kalorien­arme Futtermittel und Zusätze, die die Wasseraufnahme­kapazität des Futters erhöhen, das Normalgewicht wieder zu erreichen. Da Katzen hier recht heikel sind und nicht so einfach oder schnell abnehmen können oder sollen wie Hunde, sollte man sich einen genauen Ernährungsplan von einem Tierarzt ausarbeiten lassen.