angstverhalten bei hunden erkennen und mildern

Angstverhalten bei Hunden

Auch Hunde können Angst empfinden. Angst ist eine angeborene Emotion. Jedoch kann die Liste ihrer Auslöser durch negative Erfahrungen stark verlängert werden. Häufig werden erste Anzeichen nicht richtig wahrgenommen. Wenn wir den Hund in seinem Verhalten genau beobachten und sein Angstverhalten frühzeitig erkennen, können wir ihm helfen, durch entspannende Strategien die Situation zu erleichtern und seine Angst zu mindern.

Text: Nicole Schweizer / www.vettrust.ch     Titelbild: annaia/stock.adobe.com

Körpersprache

Angstreaktionen äussern sich von Unruhe bis hin zu Fluchtverhalten. Häufig werden erste Anzeichen von Angstverhalten übersehen.
Es kann sehr hilfreich sein, das Auge dafür zu schulen.

Mögliche Hinweise für eine Angstreaktion sind:

  • Körperschwerpunkt: verlagert sich vom Auslöser weg
  • Rutenhaltung: Rute verdeckt den Bereich des Anus
  • Mimik: Ohren nach hinten angelegt, abgewandter Blick, Lefze spitz nach hinten gezogen, Kiefer angespannt, Maul geschlossen
  • Lautäusserungen: winseln, bellen, schreien, jaulen, knurren
  • Stressreaktionen (physiologische Zeichen): erweiterte Pupillen, aufgerichtete Rückenhaare, Veränderung des Speichelflusses, hecheln, schwitzen an Ballen usw.
  • Bewegungsmuster: flüchten und verstecken, Übersprungverhalten wie buddeln, kratzen, einfrieren

Das Meiden und Flüchten hat das Ziel, die Distanz zum Angstauslöser zu vergrössern.
Ist Fliehen nicht möglich oder führte es in der Vergangenheit nicht zum Erfolg, kann Angst auch in Aggression übergehen.

Beim Einfrieren unterbricht der Hund seine Körperbewegungen. Es ist ein klares Zeichen dafür, dass sich der Hund in einem Konflikt befindet und seine Reaktion ist nicht vorher-sehbar.

Eine zurückliegende negative Erfahrung mit einem Elektrozaun kann dazu führen, dass der Hund Angst vor Kühen entwickelt hat.

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Entstehung von Angst

Leider existieren nicht nur angeborene Ängste. Sie können auch durch Erfahrungen entstehen. Läuft der Hund beispielsweise in einen Elektrozaun von Kühen, wird er vermutlich in Zukunft auch Ängste gegenüber Kühen zeigen.

Zusätzlich kann die Angst des Hundes durch unser falsches Verhalten ungewollt verstärkt werden, wie zum Beispiel durch Verhinderung von Flüchten oder gar durch Bestrafung des Hundes.

Ob eine Reaktion auf einen Angstauslöser stattfindet, hängt von verschiedenen Punkten ab. Mögliche Beispiele sind:

  • Distanz zum Auslöser
  • Dauer des Ereignisses
  • Häufigkeit des Auslösers

Ein Hund kann an gewissen Örtlichkeiten oder mit verschiedenen Bezugspersonen unterschiedlich auf einen Angstauslöser reagieren.

Berücksichtigungen bei Angstproblemen

Bei Angstproblemen und vor allem bei plötzlich auftretenden Verhaltensänderungen sollte das Lebensumfeld des Hundes angeschaut werden. Stressige Lebensbedingungen, unpassende Ernährung und Krankheiten können die Entstehung ­von Ängsten begünstigen. Nicht jeder Hund zeigt Schmerzen gleich deutlich. Deshalb ist ein tier­ärztlicher Check bei vermehrten Angstzuständen unerlässlich. Probleme wie schmerzhafte Veränderungen des Bewegungsapparats, Herz-/Kreislauferkrankungen, Augenerkrankungen und Schilddrüsenprobleme können durchaus mögliche Ursachen von Angstzuständen sein.

Mögliche Unterstützung bei Ängsten

Das Wichtigste ist, den Angstauslöser zu kennen und Management zu betreiben. Somit wird ­der Hund dem Angstauslöser nicht mehr ziellos ausgeliefert.

Ein zu hohes Erregungslevel führt zu Problemverhalten. Deshalb ist Entspannung ein wichtiger Baustein für den Trainingserfolg. Entspannung ist erlernbar und kann mit genügend Training auch in aufreibenden Situationen helfen, sich zu beruhigen. Zusätzlich kann ein Hundetrainer helfen, eine Gegenkonditionierung und Desensibilisierung zu erzielen.  

Unterstützend zum Training kann der Hund mit verschiedenen Präparaten unterstützt werden. Es gibt in der Veterinärmedizin eine grosse Bandbreite an Präparaten, welche nach tierärztlicher Beratung zur Verfügung stehen können. DAP-Produkte beispielsweise besitzen Pheromone, welche direkt auf die Emotionen des Hundes wirken. Johanniskraut oder Baldrian sind pflanzliche Extrakte, welche zusätzlich zur Verhaltenstherapie gegeben werden können.

Verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel ­sind nur dann sinnvoll, wenn der Hund dem Angstauslöser lediglich einen begrenzten Zeitraum ausgesetzt ist. Sie verschaffen dem Hund und dem Halter eine Erholungsphase. Leider können sie jedoch das Lernen auch hemmen.

Verschreibungspflichtige Psychopharmaka können zur Verhaltenstherapie über einen begrenzten Zeitraum unterstützend gegeben werden. Zusätzlich ist wichtig zu wissen, dass es nach dem Absetzen des Medikaments häufig zum Rückfall kommen kann.

Streicheln kann für den Hund in Angstsituationen entspannend wirken.

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Alter Irrtum

Immer wieder hört man, dass man den Hund in Angstsituationen ignorieren müsse, um die Ängste nicht zu verstärken. Es ist jedoch nicht möglich, die Emotion Angst durch Zuwendung zu verstärken. Streicheln kann für den Hund in Angstsituationen entspannend wirken, jedoch nur, wenn der Mensch bewusst auf seine eigene Körperhaltung achtet. Beugt sich der Mensch zum Beispiel über den Hund, berührt er dabei einen Körperbereich, der dem Hund Schmerzen bereitet oder schränkt er dadurch das Meideverhalten ein, kann die ängstliche Erre­gung steigen. Nur Trost, welcher aus Sicht des Hundes bedrohlich ist, kann die Angst verstärken – wie durch einengendes Umarmen, Hochheben oder Festhalten Aufmerksamkeit geben und ihn gleich-
zeitig in die Situation zwingen.

Geduld

Angst kann nicht von heute auf morgen behoben werden. Geben Sie Ihrem Hund und sich selbst Zeit und holen Sie sich bei Bedarf Tipps bei einer Fachperson.