mensch und hund - eine gute bindung erreichen

Gute Bindung

Was ist eine gute Bindung? Wie entsteht sie, wodurch ­erkennt man ihre Qualität und welche Bedeutung hat sie für das ­Zusammenleben von Mensch und Hund? Braucht es überhaupt eine Bindung oder reicht auch Erziehung?

Text: Ingrid Blum   Titelbild: peter/stock.adobe.com

Unter den Begriff «Beziehungen» fällt auch die Bindung. Nur wenige Beziehungen haben aber die Qualität einer Bindung. Sie bezeichnet eine enge, emotionale Beziehung. Die Bindung veranlasst ein Individuum, im Falle objektiv vorhandener oder subjektiv erlebter Gefahr (Bedrohung, Angst, Schmerz) Schutz und Beruhigung bei seiner Bindungsperson zu suchen und zu erhalten. Bindungsverhalten besteht aus verschiedenen Verhaltensweisen, es ist genetisch vorgeprägt. Zur Bindung gehören auch die Begriffe Trennung und Verlust. Bindung zielt auf emotionale Nähe und darf nicht mit Abhängigkeit verwechselt werden. Bindungspartner sind nicht durch andere ersetzbar.

Soziale Attraktivität

Hunde behalten ein ganzes Leben lang eine Reihe jugendlicher Merkmale bei, so auch eine Tendenz zur Kind-Eltern-Bindung. Das bedeutet, dass der Haushund die arteigenen und innerartlichen Bindungstendenzen auf den Menschen übertragen kann. Das Bindungsverhalten des Hundes erinnert an das von Kindern. Vergleichende Untersuchungen mit intensiv sozialisierten Wölfen und Hunden ergaben, dass Wölfe, auch mit viel Erfahrung mit Menschen, keine Bindung zu ihrer Bindungsperson entwickeln konnten, so wie es Hunde taten.

Geteilte Lebensfreude sowie Innigkeit und Nähe bestehen nur in einer festen und sicheren Bindung.

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Gegenseitige Verbundenheit

Hunde zeigen gegenüber dem Menschen ihre Emotionen und Verhaltensweisen der Bindung. Diese ist zwischen Mensch und Hund nicht unbedingt einseitig, sie gilt als psychologische Verbundenheit. Individuelle Bindungen an menschliche Bezugspersonen entwickeln sich bei Hunden lebenslang weiter. Das bedeutet auch, dass Hunde nicht als Welpen übernommen werden müssen, um eine Bindung entwickeln zu können. Die Flexibilität, sich auch im Alter an eine neue Person binden zu können, ist eine Besonderheit des Haushundes. Der Bruch einer Bindung steht einer späteren neuen, mit einer anderen Person, nicht im Wege. Deshalb können gesicherte Bindungen auch mit Hunden entstehen, die bereits Vorbesitzer hatten oder aus dem Tierschutz stammen.

Eine gute Bindung zum Hund erkennen

Ein Bindungssystem wird als «vierblättriges Kleeblatt» betrachtet, worin vier gleichgewichtete Aspekte vorhanden sein müssen. Es sind dies: Nähe suchen, Trennungsreaktion, sichere Basis und sicherer Hafen.

Nähe suchen: Nicht Futter, sondern die emotionale Komponente ist es, die den Hund freiwillig und aus eigenen Stücken veranlasst, Nähe zu seinem Menschen zu suchen.

Trennungsreaktion: Lässt man den Hund in fremder Umgebung allein, zeigt er Trennungsverhalten, indem er den Kontakt zum Halter wieder herstellen möchte. Diese «Trennungsangst» lässt sich durch keine andere Person lindern.

Sichere Basis: Hunde können sich in Anwesenheit ihres individuell gebundenen Menschen länger und intensiver mit Intelligenzspielen beschäftigen, zeigen mehr Erkundungs- und Neugierverhalten sowie andere Verhaltensweisen, die für ihr eigenes Wohlbefinden dienlich sind, als in Anwesenheit anderer bekannter Menschen.

Sicherer Hafen: Gerade in Krisensituationen erwartet man, dass der Bindungspartner sich um einen kümmert und einem hilft. Das bedeutet, dass Gefahren abgehalten werden, der Hund durch uns geschützt werden muss und wir Schutz und Trost spenden, wenn der Hund unseren Körperkontakt sucht. Und nein, die Angst wird nicht verstärkt, indem man Hilfe leistet, für den Hund einsteht und psychisch wie physisch verfügbar ist. Udo Ganslosser, diplomierter Biologe und Privatdozent für Zoologie an der Universität Greifswald (DE), bezeichnet die Empfehlung, man dürfe den ­Hund ja schliesslich in seiner Angst nicht bestätigen, als ­«Bindungs- und Beziehungskiller schlechthin». 

Feingefühl und Empathie für die Gemütslage des Hundes
sind für eine sichere Bindung unabdingbar.

Welpen und Bindung

Etwa ab der 14. Lebenswoche ändert sich das Sozialverhalten der Welpen in vielfältiger Weise. Bis dahin sind sie ortsgebunden. Bei wilden Kaniden beginnt die Zeit, in der Welpen das Rudel auf der Wanderschaft begleiten, dadurch den Aussenbereich des Familienterritoriums kennenlernen und in verschiedene Dinge durch ihr Rudel eingewiesen werden.

Untersuchungen der ungarischen Zoologin Dr. Márta Gácsi (2013) belegen, dass ab der 14. Lebenswoche die Fähigkeit beginnt, sich an Menschen individuell zu binden. Ab etwa der 16. Lebenswoche sind die ersten Hinweise auf eine solche Bindung nachweisbar.

Was passiert bei Welpen, die von ihrer Mutter getrennt werden, noch keine Bindung zum Menschen aufbauen können und ihr vertrautes Umfeld verlieren? Meistens werden die Kleinen dann in eine Welpengruppe gebracht, in der sie weder eine sichere Basis, noch einen sicheren Hafen kennen und bei ihnen noch keine Bindungsfähigkeit vorhanden ist.. Je nach Erfahrung und emotionaler Belastung in einer solchen Gruppe wird die Fähigkeit, eine sichere Bindung zum neuen Menschen entwickeln zu können, für den Welpen verunmöglicht. Oft kann man lesen, dass Welpenstunden die Bindung fördern würden. Die Freude am gemeinsamen Erleben kann erst dann empfunden werden, wenn aus der Pflegebindung eine gesicherte Bindung geworden ist. «Es gibt aus verhaltensbiologischer Sicht kaum etwas, das für eine Abgabe von Welpen vor der zehnten Woche spricht, aber sehr viel, was gegen eine Abgabe in der achten oder früher spricht», sagt Udo Ganslosser.

Bindung mit Futter?

Handfütterung und permanente Leckerligaben sind zum Aufbau oder auch zur Aufrechterhaltung einer emotionalen Bindung ungeeignet. Der Mensch muss sich als verlässlicher Beziehungspartner sozialemotional einbringen und selbstverständlich auch die Sicherheits- und Grundbedürfnisse prompt beantworten. Nahrungsbereitstellung hat nichts mit Bindung zu tun.  

Soziale Geborgenheit

Ist es in der heutigen Zeit nicht unglaublich, dass Menschen ihre «Lieblinge» auf den Rücken werfen, auf den Boden drücken, würgen, treten, anschreien oder am Nackenfell schüttelnd in Todesangst versetzen, um ihnen beizubringen, dass der sich so gebärdende «Elternteil» ernst genommen werden soll und sich so Respekt verschaffen will? Es ist gerade so, als würde ein Psychiater seinen Patienten würgen, schütteln und schlagen, in der irrigen Annahme, ihn damit psychisch heilen und unterstützen zu können.

Wahrscheinlich ist jedem normal denkenden Menschen klar, dass man mit solchen Methoden keinen einzigen Wolf zum Freund zähmen könnte. Wieso also sollten sie für Hundegehirne anders zu verarbeiten sein? So entsteht eine traurige Beziehung in Abhängigkeit, aber keine freie Bindung. Da Bindung auf Emotionen baut, ebnet gute Bindung auch Kooperation in der Erziehung. Geteilte Lebens- und Wiedersehensfreude sowie Innigkeit und Nähe bestehen nur in einer festen und sicheren Bindung.

Fazit

Eine gesicherte Bindung bietet dem Bindungspartner die Sicherheit, dass er in Krisensituationen Hilfe bekommt, dass auf seine Bedürfnisse und Gemütslagen feinfühlig und empathisch eingegangen wird und sie vermittelt ihm, dass der Bindungspartner gerne mit ihm zusammen ist und sich an ihm erfreut.