Das Jagdverhalten von Hunden – eine Herausforderung für jeden Hundehalter

Das Jagdverhalten von Hunden – eine Herausforderung für jeden Hundehalter

Man sieht’s dem Vierbeiner an: Ohren gespitzt, Blick fixierend nach vorne gerichtet, jeder Muskel scheint aufs Höchstmass gespannt zu sein. Und bevor man was sagen kann, düst der Hund auch schon ab. Und dann steht man da, mit einer Leine in der Hand und ohne Hund.

Text: Sibylle Kläusler   Titelbild: Dogs/stock.adobe.com

Das Jagdverhalten ist eine der häufigsten Herausforderungen im Alltag mit dem Vierbeiner. Wir haben es dabei mit einem Primär-Instinkt des Hundes zu tun. Beute jagen und erlegen, das steckt noch vielen Haushunden in den Genen. Entsprechend ist das Training zum Umlenken des Jagdinstinktes anspruchsvoll und braucht erfahrene Anleitung und Einsatz.

Durch gezielte Spiele kann der Hund den vorhandenen Jagdtrieb kanalisiert ausleben

Die Möglichkeiten, mit dem Jagdverhalten umzugehen, richten sich nach der Ausprägung des Triebes: Bei Hunden, die schon mal Erfolg hatten, sprich ein Tier gejagt und gepackt haben, wird es schwierig. Da heisst es unter Umständen, den Hund an der Leine behalten und ihm ein abwechslungsreiches Bewegungs- und Spielangebot mit Kopf- und Nasenarbeit zu bieten. Die Meinungen gehen auseinander, was die Lebensqualität anbelangt. Ich bin aus eigener Erfahrung davon überzeugt, dass der Hund ein ganz tolles Leben haben kann, wenn der Mensch bereit ist, mehr zu machen als nur spazieren zu gehen. Durch gezielte und sinnvolle Spiele kann der Hund den vorhan­denen Jagdtrieb kanalisiert ausleben. Auch das Longieren ist ideal, um einen passionierten Jäger im Alltag auszulasten und zu fordern. Darauf zu achten ist, dass keine stupiden Ballwurf-Spiele gemacht werden. Das fördert das ungehinderte Lospreschen des Vierbeiners und kann die Gelenke auf Dauer überlasten. Wichtig bei vierbeinigen Jägern ist die Nasenarbeit. Fährtenarbeit und das Erarbeiten des täglichen Futters durch Suchspiele sind wichtige Komponenten.

Bei den meisten Hunden kann der Jagdtrieb mit einem soliden und durchdachten Jagd-Kanalisierungs-Training erfolgreich umgelenkt werden. Wer nun denkt, das beinhalte ein bis zwei Abendtrainings pro Woche, der täuscht sich leider. Ein solches Training dauert zwischen vier bis sechs Monate und findet im Alltag statt. Der Hundehalter muss dabei so ziemlich alle alten Gewohnheiten über Bord werfen. Die Spaziergänge werden so gestaltet, dass sie die Elemente Führung, Bindungsfestigung, Beute- und Futterspiele, Signal-Training und Beute-Respekt-Spiele beinhalten. Wichtig dabei ist die Struktur, denn sie entscheidet über den Erfolg. Die ersten Erfolge stellen sich schnell ein, wenn der Aufbau und der Ablauf des Trainings stimmen.    

So ein Training ist sicher eine Herausforderung und bedarf Einsatz und Durchhaltewillen. Aber der so gestaltete tägliche Umgang mit dem Hund macht enormen Spass und lehrt uns viel über das Verhalten unseres Vierbeiners. Wir schulen unsere Beobachtungsfähigkeit, lernen, schnell zu reagieren und merken, wie sich das Hundeverhalten verändert.

Wenn der Hund jederzeit, egal in welcher Situation, abgerufen werden kann, hat sich die Mühe des intensiven Trainings gelohnt.
Foto: pixabay

Die Technik des Trainings ist ein Teil des Erfolges

Die meisten Menschen, die sich entscheiden, das Jagdverhalten ihres Hundes zu verändern, haben keine Mühe mit der Technik oder den einzelnen Übungen. Vielmehr sind mangelndes Durchhaltevermögen und bröckelnde Selbstdisziplin die Ursache Nummer eins für das Aufgeben. Leider befassen sich nur ganz wenige Fachpersonen im Hundebereich mit der Thematik der mentalen Stärke der Hundehalter. Die Unterstützung des Zweibeiners ist jedoch der entscheidende Faktor. Da vieles im täglichen Umgang mit dem Hund verändert werden muss, können zum Beispiel auch Spaziergänge mit anderen Hundefreunden oder mit der Familie nicht mehr in der gewohnten Art und Weise stattfinden. Eine stimmige Organisation und das Evaluieren der Motivation ist im Vorfeld extrem wichtig für den Start und das erfolgreiche Training.

Wenn Sie also einen Hund haben, der gerne mal alleine auf die Pirsch geht, stellen Sie sich folgende Fragen: Als wie einschränkend empfinden Sie das Jagdverhalten Ihres Hundes? Würden Sie sich besser fühlen, wenn er nicht jagen würde? Wenn ja, warum? Was würde sich verändern, wenn Ihr Hund nicht mehr jagen würde? Wenn Sie an vier bis sechs Monate intensives Training denken, was fühlen Sie dabei? Stellen Sie sich vor, Ihr Hund bleibt nach dem intensiven Training auch in Situationen bei Ihnen, in denen er früher abgehauen wäre. Was ist das für ein Gefühl? Wie steht dieses Gefühl zu den Gedanken an vier bis sechs Monate intensives Training?

Es ist ganz wichtig, sich die nötige Zeit zur Beantwortung dieser Fragen zu nehmen. Erst dann ist eine bewusste Entscheidung für ein Training möglich und der Erfolg sicher. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, wie unbeschreiblich das Gefühl ist, wenn nach langem Training der Hund auch in brenzligen Situationen abgerufen werden kann. Da fühlt man sich wie an Weihnachten und Geburtstag zusammen. Und das alles aus der selbst geleisteten Arbeit.

Vorsicht ist geboten bei Methoden, die den Hund durch Blockade vom Jagen abhalten sollen

Solche aversiven Methoden haben meistens nur Nachteile: Sie sind nicht dauerhaft, wirken aufgrund von Schmerzreizen und bieten dem Hund kein Alternativverhalten. Da der Jagdinstinkt ein Primär-Instinkt ist, ist er sehr stark. Der Hund kann nur mittels starken Blockadeimpulsen, sprich Schmerzimpulsen beeinflusst werden. Und sogar dieser Schmerzimpuls kann vom Hund in der Triebphase noch in Kauf genommen werden. Abgesehen davon, dass solche Impulsgeräte (z.B. Tele-Impuls-Gerät, das mit Stromreizen arbeitet) verboten sind, sind sie aus ethischer und fachtechnischer Hinsicht sehr fragwürdig. Der Hund lernt schlichtweg nichts. Im besten Fall stoppt er sein Verhalten, weiss dann aber nicht, was er stattdessen tun soll. Im schlechtesten Fall erzieht man einen Hund, der womöglich vorher nicht dagewesene Verhaltensweisen an den Tag legt. Blockierter Jagdtrieb kann zu Aggressionen führen.

Im Handel gibt es Sprüh-Halsbänder, die mit einem Luftstoss das Verhalten des Hundes unterbrechen sollen. Diese können eine Hilfe sein, aber immer nur in Kombination mit gezieltem Kanalisierungs-Training. Nie sollte ein solches Hilfsmittel losgelöst von verhaltensformendem, positivem Training eingesetzt werden. Meine Erfahrung zeigt, dass ein solches Hilfsmittel nicht mal nötig ist, wenn man das Training mit entsprechender Unterstützung und Erfahrung angeht.

Tipps im Umgang mit dem Jagdtrieb des Hundes

  • Belohnen Sie jeden Blickkontakt, den Ihr Hund aktiv zu Ihnen aufnimmt.
  • Sagen Sie unter keinen Umständen: «lauf, geh frei, geh spielen», wenn Ihr Hund bei Ihnen ist und lieber Sie anschaut als seine vierbeinigen Kameraden. Belohnen Sie viel mehr sein Interesse an Ihnen und geniessen Sie den Kontakt, den er zu Ihnen sucht.
  • Betrachten Sie die Leine als Verbindung zwischen Ihnen und Ihrem Hund und nicht als Einschränkung oder Feind.
  • Nutzen Sie die tägliche Futterration für Suchspiele und Aufmerksamkeitstraining. Fordern Sie Ihren Hund und verlangen Sie, dass er etwas für sein Futter tut.
  • Denken Sie immer daran: Hund und Mensch sind im Wald Gäste. Verhalten Sie sich entsprechend und zeigen Sie Respekt vor den Wildtieren. Zwischen Mai und Juni ist Setz-Zeit, Rehkitze liegen im hohen Gras.