tollwut bei hunden

Tollwut bei Hunden

Seitdem die Tollwut in der Schweiz nicht mehr vorkommt, ist die gefährliche Viruskrankheit zunehmend in Vergessenheit geraten. Seit einigen Jahren steigt jedoch das Risikopotenzial. Zum einen nimmt die illegale Einfuhr von Haustieren aus Risikoländern zu, zum anderen können sich Mensch und Hund in Urlaubsländern anstecken.

Text: Regina Röttgen   Titelbild: Butch/stock.adobe.com

Tollwut: gefährlich für Mensch und Tier

Alle Säugetiere, vor allem jedoch Fleischfresser, können von der tödlich verlaufenden Tollwut betroffen sein, die durch das Lyssavirus ausgelöst wird. Die gefährliche Zoonose, also eine vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheit, tritt insbesondere bei den Vertretern der Familie Canidae auf. Hierbei gilt der Hund als wichtigster Hauptüberträger: Über 95 Prozent der weltweiten Tollwutfälle beim Menschen sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch Hunde bedingt. Mit jährlich rund 59 000 Todesopfern treten die meisten davon in Entwicklungsländern auf. In Westeuropa hingegen ist der Fuchs häufigster Träger und Überträger von Tollwut, doch können auch infizierte Dachse, Marder, Katzen sowie Pferde und Wiederkäuer eine potenzielle Gefahr für den Menschen darstellen. Ferner können Fledermäuse das Virus auf den Menschen übertragen.

Bis 2030 hat die WHO es sich daher zum Ziel gesetzt, weltweit allen durch Tollwut begründeten Todesfällen ein Ende zu setzen. Ein ambitioniertes Vorhaben, das mithilfe der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), der Organisation für Lebensmittel und Landwirtschaft (FAO) sowie der Globalen Allianz für Tollwutkontrolle (GARC) umgesetzt werden soll. Die Zielgruppe ist gross. Zwar konnte in Nordamerika, Japan, Westeuropa und Teilen Südamerikas sowie Asiens die Übertragung durch den Hund schon vor Jahren eliminiert werden. Auch zählen nord-, süd- und westeuropäische sowie nordafrikanische Länder und einige der westlichen Länder Südamerikas bezüglich des Vorkommens der Tollwut in freier Natur heute als tollwutfrei. Für über 100 andere Länder gilt dies allerdings nicht. So haben die Türkei, der Iran sowie die südlichen Afrikaländer das Virus zumindest unter Kontrolle. In den anderen Ländern Afrikas und Asiens tritt die Tollwut jedoch noch immer endemisch auf. Stets tollwutfrei waren und sind nur Neuseeland, die Antarktis, Grossbritannien, Irland und andere kleinere Inseln.

Tollwutübertragung durch den Hund

Die Übertragung des Virus erfolgt in der Regel mit dem Speichel des infizierten Tieres.

Foto: Reddogs/stock.adobe.com

Die Geschichte der Tollwut in der Schweiz   

Die Schweiz gehört zu den heute als tollwutfrei geltenden Ländern. Ihre Geschichte der Krankheit war zum Glück eine kurze. Im Jahre 1967 hielt die 28 Jahre zuvor in Polen ausgebrochene Fuchstollwut auch in die Schweiz Einzug. Schon zehn Jahre später kam es zu Todesfällen beim Menschen. Die drei Betroffenen hatten sich durch eine Katze, ein Rind und einen Hund angesteckt. Infolgedessen wurde die Tollwutimpfung für Hunde obligatorisch. Zudem begann die landesweite Impfung der Füchse per Schluckimpfstoff – insgesamt 2,8 Millionen mit dem Impfstoff versetzte Hühnerköpfe wurden damals als Köder ausgelegt (eine solche Kampagne wird im Rahmen des WHO-Projektes beispielsweise seit Ende 2019 in Teilen der Türkei umgesetzt). Das Ergebnis hielt, was es damals versprach: Anfang der 1980er-Jahre gingen die Tollwutfälle in der Schweiz stetig zurück. Der letzte, nicht durch einen Import verursachte Tollwutfall liegt heute knapp 25 Jahre zurück. Seit 1999 gilt die Schweiz offiziell als «frei von Tollwut». Daher wurde die obligatorische Tollwutimpfung für Hunde, die sich ausnahmslos in der Schweiz aufhalten, mittlerweile aufgehoben.

Tollwutimpfung bei Hunden – Ja oder Nein?

Aufgrund der seit Juni 2003 für die Schweiz und seit Oktober 2004 für die Europäische Union gültigen Einfuhrbestimmungen für Hunde und Katzen kann das Risiko der Tollwuteinschleppung durch Haustiere nach Ansicht der Schweizerischen Tollwutzentrale am Institut für Virologie und Immunologie heute als gering betrachtet werden. Mit der zunehmenden Anzahl illegal importierter Tiere steigt aber zugleich das Risiko, dass sich darunter ein mit Tollwut infiziertes Tier befindet. Oftmals werden Tiere auch in Unkenntnis der Einfuhrbestimmungen einfach aus den Ferien mitgebracht. Selbst bei Einhaltung der Importbestimmungen besteht die Möglichkeit, dass ein Tier tollwutinfiziert sein könnte. Eine Überprüfung der Impfwirkung durch den zum Beispiel in den EU-Staaten vorgeschrieben Titer-Test wird von der Schweiz nicht verlangt. Dabei ist die Inkubationszeit (die Zeit von der Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen) mit bis zu 100 Tagen bei der Tollwut sehr lang. Man könnte einem mit Tollwut infizierten Hund somit bis zu drei Monaten eventuell nicht ansehen, dass er das Virus in sich trägt. Für den ungeimpften Hund, der mit einem solchen Tier in Kontakt kommt, können die strengen Vorschriften der Schweizerischen Tierseuchenverordnung das Todesurteil bedeuten: «Bei Kontakt mit einem tollwütigen oder tollwutverdächtigen Tier, müssen Haustiere, die nicht innerhalb der letzten zwei Jahre gegen Tollwut geimpft worden sind, getötet oder 100 Tage abgesondert werden», schreibt Artikel 145 vor. Ob der Hund in Quarantäne kommt oder aber eingeschläfert wird, entscheidet der Kantonstierarzt. Dieses Risikopotenzial sollte nach Meinung der Tollwutzentrale sehr ernst genommen werden, denn jedes Jahr wird in der Schweiz eine hohe Anzahl von aus Risikoländern illegal eingeführter Hunde euthanasiert. 2019 waren es 48!

Tollwutimpfung beim Hund

Die Impfung unterliegt gesetzlichen Regeln, auch wenn sie in der Schweiz nicht mehr obligatorisch, jedoch weiterhin für alle Hunde empfohlen ist:

  • Erstimpfung mit 12 Wochen oder später gemäss den Empfehlungen der Impfstoffhersteller.
  • Falls mittels Impfung ein hoher Tollwut-Antikörpertiter im Serum erreicht werden soll (d.h. die Bestimmung eines Antikörpertiters nötig ist), wird eine zweimalige Impfung im Abstand von 7 bis 10 Tagen empfohlen. Alle in der Schweiz zugelassenen Tollwutimpfstoffe haben eine Schutzwirkung von 3 Jahren.
  • Spezielle Bestimmungen gelten für Grenzübertritte (siehe Homepage des BLV: www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/reisen-mit-heimtieren.html).
  • Mit Ausnahme von zugelassenen Kombinationen ist ein Abstand von zwei Wochen zu anderen Impfungen vor- und nach der Tollwutimpfung einzuhalten.
  • Um über längere Zeit einen genügenden Titer sicherzustellen, wäre wie bei der Grundimmunisierung von Menschen ein Jahres-Booster dringend zu empfehlen, bevor man sich im Zusammenhang mit der Titerbestimmung auf die dreijährigen Booster-Impfungen verlassen kann.

(Quellen: Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV)

Tollwut-Impfung für Hund und Mensch

Hundehalter sollten sich in einem solchen Fall über die Impfprophylaxe für Hund und Mensch informieren, denn gab es erst einmal Kontakt zu einem eventuell tollwutinfizierten Tier, drängt die Zeit. Andere Länder scheinen in einem solchen Fall ungenügende Massnahmen zu ergreifen. Hier steht an erster und einziger Stelle die postexpositionelle Impfung als mögliche Behandlung. Diese muss vor dem Auftreten der Symptome erfolgen, schreibt das Bundesamt für Gesundheit BAG, also noch in der Inkubationszeit des Virus zu einem Zeitpunkt, an dem eine Diagnose unmöglich ist. Über die derzeitige Vorgehensweise zur recht aufwendigen Impfung vor und nach Kontakt zu einem eventuell infizierten Tier gibt das Bundesamt detailliert Auskunft. Da es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Tollwutfällen von Europäern bei Reisen in Risikoländer kam, empfiehlt die Schweizerische Tollwutzentrale bei Aufenthalt in Risikoländern eine prophylaktische Tollwutimpfung. So war 2017 bei einem zehnjährigen Kind in Frankreich die Tollwut festgestellt worden. Das Kind hatte sich bei einem Ferienaufenthalt in Sri Lanka mit dem Virus infiziert. Nicht immer ist die vor Ort durchgeführte Postexpositionsprophylaxe in Risikoländern ausreichend: 2019 starb beispielsweise in Norwegen eine Frau nach einem Hundebiss auf einer Reise in Südostasien an Tollwut. In Italien verstarb ebenfalls vergangenes Jahr ein Mann, der auf der Insel Sansibar in Tansania von einem Hund gebissen worden war.

Tollwut-Symptome bei Hund und Mensch  

Übertragen wird das Virus in der Regel mit dem Speichel des infizierten Tieres. Zwar kann dieser auch auf anderem Weg wie beispielsweise Kratzen in eine mikroskopisch kleine Hautwunde eindringen, meist geschieht dies jedoch durch einen Biss. Unverletzte Haut kann das Virus nicht durchdringen. Nachdem das Virus in den Körper gelangt ist, vermehrt es sich in Muskelzellen und verbreitet sich über bestimmte Transportmechanismen bis zum zentralen Nervensystem, wo es sich rapide vermehrt. Von dort aus gelangt das Virus zu den Speicheldrüsen und verteilt sich über den Speichel an die Umwelt. Bevor also die ersten Symptome auftreten, hat sich das Virus im Körper bereits stark ausgebreitet. In Kadavern bleibt es ebenfalls lange überlebensfähig. In der Umwelt inaktivieren Wärme und ultraviolette Strahlung das Virus relativ zügig.

Die Symptome sind bei Hund und Mensch ähnlich: Verhaltensveränderungen, Bewegungsstörungen, Muskelkrämpfe und Lähmungserscheinungen. Meist verlieren Hunde zuerst an Appetit, möchten nicht mehr so viel trinken und ziehen sich lethargisch zurück. Fieber und Erbrechen treten ebenfalls häufig auf. Im Laufe der rasch fortschreitenden Krankheit zeigen sich relativ schnell körperliche Ausfallserscheinungen, Zuckungen bis hin zu Krämpfen, Schluck- und Atembeschwerden sowie starkes Speicheln. Die letzte Krankheitsphase ist geprägt von Lähmungen und erhöhter Sensibilität. Aufgrund der sehr schnell zunehmenden Symptome sinkt die Lebensqualität der Tiere so immens, dass sie auffallende Verhaltensänderungen zeigen und meist aggressiv reagieren. Während manche wahllos um sich schnappen, beissen andere nur ihnen zu nahe kommende Personen. Nach Auftreten der ersten Symptome geht alles sehr rasch. Innerhalb von vier bis zehn Tagen führt die Krankheit über ein Koma zum Tod. Beim Menschen ähneln die Anzeichen anfänglich denen anderer Krankheiten: Kopfschmerzen, Fieber, Unwohlsein und Muskelschmerzen. Auf Sensibilitätsstörungen am Ort der Bissverletzung folgen rasch weitere Symptome wie Verwirrung, Halluzinationen, Schlaflosigkeit und Muskelkrämpfe. Letztlich kommt es zu Lähmungen, Koma und Tod.

Tollwutsymptome beim Hund

Mit zunehmenden Krankheitszeichen sinkt die Lebensqualität der Tiere so stark, dass sie auffallende Verhaltensänderungen zeigen und meist aggressiv reagieren.

Foto: galahet/stock.adobe.com

Übertragung durch Fledermäuse

Eine zwar seltene, dennoch ebenfalls nicht zu unterschätzende Quelle für die Tollwutübertragung sind Fledermäuse. Immer wieder kommt es vor, dass Fledermäuse beim Zusammenstoss mit einem Menschen die Krankheit übertragen. So starben vergangenes Jahr ein Kanadier sowie ein Türke, als sie in ihren Heimatländern tagsüber mit einer Fledermaus zusammenprallten und verletzt worden waren. Die nachtaktiven Tiere orientieren sich per Ultraschall-Echo-Ortung und sollten daher weder am Tage fliegen noch irgendwo anstossen. Dennoch hatten sich beide Betroffene nicht umgehend um medizinische Hilfe bemüht. Auch die Schweizerische Tollwutzentrale weiss um die Gefahr von Fledermäusen: «Zwar erkranken und sterben auch Fledermäuse an dem Virus», sagt Prof. Dr. Reto Zanoni, «im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren können sie von Fall zu Fall aber auch serologisch reagieren und die Infektion überleben.» Die Fledermaustollwut sei ein weltweites Risiko für den Menschen und in Südamerika zudem ein erhebliches Risiko für Tiere, warnt die Tollwutzentrale stets in ihren Jahresberichten. Sporadisch kommt die europäische Fledermaustollwut auch in der Schweiz vor. Zwar ist das Risiko einer Übertragung in der Praxis nach Angaben der Tollwutzentrale vernachlässigbar, dennoch rät Zanoni zur unverzüglichen Impfung selbst bei geringfügigen Verletzungen. «Bei physischem Kontakt mit einem Menschen ist eine Postexpositionsprophylaxe notwendig, weil beim Menschen ein Null-Risiko angestrebt wird.»