Schlingen statt kauen

Die meisten Katzen haben eines gemeinsam: Sie kauen nicht. Wenn möglich schlingen sie ihr Futter einfach runter. Es gibt aber Mittel und Wege, sie zur Langsamkeit zu bewegen.

Text: Daniela Poschmann   Titelbild:thodonal/stock.adobe.com

Man nennt sie Stubentiger, Sofalöwen, Büsis und Miezen, doch all diese niedlichen Kosenamen können nicht über das hinwegtäuschen, was sie wirklich sind: Raubtiere. Wer es nicht glauben mag, muss seinem Liebling nur einmal beim Fressen zuschauen. Das verrät so einiges.

Dann entdeckt man, dass Katzen nicht kauen oder zumindest kaum. Und zur Beruhigung aller, die sich in Online-Foren Sorgen darüber machen, ob da nicht Zahnschmerzen mit im Spiel sind: Das ist normal. Katzen sind aufgrund ihres speziellen Kieferbaus Schlingfresser. Das liegt daran, dass sich das Scharniergelenk ihres Kiefers lediglich auf und ab bewegt und nicht seitwärts. Dadurch können sie ihr Essen nicht wie Pferde oder Menschen durch Mahlbewegungen zerkauen.
Es ist eben das Gebiss eines typischen Fleischfressers, der seine Beute reisst und sie dann schnellstens herunterschlingt. Was zumindest in freier Wildbahn auch angebracht ist, denn Neider lassen meist nicht lange auf sich warten. Das geht übrigens im Normalfall relativ unspektakulär vonstatten. Hat sich der Stubentiger an Maus oder Vogel festgebissen, hält er seine Beute mit seinen Fangzähnen fest und bricht ihr das Genick, indem seine langen Fangzähne ihre Muskelfasern zerteilen und ihre Halswirbel ausrenken. Dann neigt er seinen Kopf und beginnt mit seinen Backenzähnen seine Mahlzeit zu zerkauen. Das alles ist aber keineswegs ein blutiges Gemetzel. Tatsächlich fliesst kaum mehr Blut als bei ein paar Nadelstichen.

katzen sind schlingfresser - fleischstücke regen katzen zum kauen an

Fleischstücke können nicht als Ganzes verschluckt werden, daher eignen sie sich dazu, die Katze zum Kauen zu bewegen.

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Gesundheitstipps aus der Natur

Mitunter sind die Sorgen aber berechtigt, und zwar dann, wenn die Katze zu schnell und in zu grossen Bissen frisst und sich daraufhin erbricht. Das kann auf Dauer zu gefährlichen Magenreizungen bis hin zu  Magengeschwüren führen. Um das zu vermeiden, ist ein Blick in die Natur ratsam. Denn was frisst der Löwe in der Serengeti? Fleisch und Knochen. Fleisch sorgt für ein langsameres Fressen, da die Katze lange braucht, um es zu zerteilen und – wie bereits beschrieben – tatsächlich kauen muss. Und Knochen sind nicht nur reich an Calcium, sondern reinigen auch Kätzchens Zähne. Im Gegensatz zum Fleisch, das sowohl gekocht als auch roh in den Napf darf, sollten Knochen ausschliesslich roh verfüttert werden, damit sie nicht splittern. Zudem sollte bestenfalls noch etwas Fleisch am Knochen sein, damit das Büsi etwas zum Abnagen hat und die Magensäfte zur besseren Verdauung angeregt werden. Und bitte keine kleinen Knochen geben, die versehentlich im Ganzen verschluckt werden könnten.

Trockenfutter reinigt die Zähne nicht

Apropos Zahnreinigung: Trotz häufigen Anratens von Tierärzten ist es ein Mythos, dass Trockenfutter die Zähne reinigt – eben weil Katzen Schlingfresser sind. Natürlich zerkleinern einige ihre Knabberli, doch auch dann kommt lediglich die Zahnspitze zum Zug. Und zu allem Überfluss beinhalten zahlreiche Trockenfutter Getreide, Mais und/oder Soja, die als Kohlenhydrate nicht nur dick machen, sondern auch dem Gebiss schaden. «Getreide als Träger im Tierfutter verursacht Plaques, woraus bekanntlich Zahnstein entsteht», sagt daher der Tierarzt Christian Spirig aus Aathal Seegräben ZH. Sei der Zahnstein erst einmal da, müsse man ihn unter Narkose entfernen.

Das Raubkatzengebiss

Die schärfsten Waffen der Katze sind ihre Eckzähne, auch Fangzähne genannt. Sie liegen recht weit vorne, sind extrem spitz und bohren sich tief in die Beute. Zwischen dem linken und dem rechten Eckzahn liegen die Schneidezähne, die dagegen hauptsächlich der Fellpflege dienen. Die vier grössten Backenzähne werden übrigens auch Reisszähne genannt. Während die sechs Schneidezähne von Ober- und Unterkiefer im Idealfall in einer geraden Linie und senkrecht aufeinanderstehen sollten, greifen die Eckzähne und die Backenzähne wie eine Zackenschere ineinander.

Katzenwelpen haben anfangs genau wie wir Menschen Milchzähne, die ab der dritten Woche wachsen. Zwischen dem dritten und siebten Lebensmonat beginnt der Zahnwechsel. Nun wachsen auch die hinteren Backenzähne. Insgesamt braucht es ungefähr eineinhalb Jahre, bis das Raubtiergebiss mit 30 bleibenden Zähnen komplett ist.

Durch das Wachstum der bleibenden Zähne werden die Milchzähne eigentlich verdrängt. Manchmal kommt es jedoch vor, dass der Zahnkeim des permanenten Eckzahnes nicht unter dem Milchzahn angelegt ist, sondern daneben. Der bleibende Eckzahn drängt den Milchzahn in diesem Fall nicht heraus, sondern wächst neben ihm. Um eine Fehlstellung und Wachstumsverkürzung der bleibenden Eckzähne zu verhindern, sollten die Milchzähne dann operativ entfernt werden.