Wenn das Büsi weg muss
Was bedeutet es für eine Katze, wenn sie abgegeben werden muss? Reagieren alle Büsi gleich auf Veränderungen? Und sind sie eigentlich orts- oder menschengebunden?
Text: Daniela Poschmann Titelbild: myyana/stock.adobe.com
Es ist jeden Tag das Gleiche. Die Katzen giften sich an, konkurrieren um Frauchens Aufmerksamkeit, vertreiben sich gegenseitig vom Futterplatz und gehen mitunter sogar aufeinander los. Und immer ist es die eine, die sich am Ende unterm Sofa verkriecht und mucksmäuschenstill liegen bleibt, bis die Gefahr gebannt ist und ihre draufgängerischen Artgenossen auf Streifzug sind. Sie weiss allerdings auch, dass es nur die Ruhe vor dem erneuten Sturm ist, eine kurze Auszeit vom Psychoterror, den sie permanent erleidet. Und so zieht sich die Mieze immer mehr zurück, bis nur noch ein Ausweg bleibt, sie wegzugeben.
Gleiches Resultat, andere Situation: Jahrelang lebte sie wie eine Königin. Als Stadtkatze zwar in der Wohnung gefangen, war sie dennoch glücklich. Schliesslich hatte sie eines auf sicher: die Aufmerksamkeit von Frauchen. Die Kinder waren in der Schule, der Vater am Arbeiten, Frauchen aber den ganzen Tag zu Hause. Doch von heute auf morgen ist alles anders. Der Vater zieht aus und Frauchen ist plötzlich kaum noch da. Nun geht auch sie arbeiten, so dass das Büsi stundenlang allein vor dem Fenster hockt und auf sie wartet. Mit der Zeit nimmt es zu und verliert seinen Lebenswillen, so dass schweren Herzens die Suche nach einem neuen Zuhause beginnt. Motive für die Abgabe eines Tieres gibt es viele. Wie aber kommt die Katze damit klar, nicht nur ein neues Revier zu akzeptieren, sondern auch noch neue Menschen? Und was ist, wenn man keine neue Familie findet? Kann man sie dann guten Gewissens in ein Tierheim geben?
Wenn statt Eintracht ständig die Fetzen fliegen, führt manchmal kein Weg daran vorbei, für einen der Kontrahenten ein neues Zuhause zu suchen.
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Zeit lassen
Wenn die Beziehung harmonisch gewesen sei, werden der bisherige Halter und die Katze einander vermissen, weiss der Katzenfachmann Dennis C. Turner. Und dennoch: «Wenn die Katze gut gegenüber Menschen sozialisiert wurde, wird sie in ein paar Wochen eine neue Beziehung zum neuen Halter aufbauen und den neuen Ort akzeptieren.» – Insofern der neue Zweibeiner nichts erzwingen will, sondern das Tempo dem Sofalöwen überlässt. Das kann auch Manuela Gutermann von Katzenfreunde Schweiz bestätigen. Manchmal ginge es aber auch schneller, so die Tierschützerin, die oft Vierbeiner vermittelt. «Es gibt Katzen, denen ein Umzug überhaupt nichts ausmacht. Sie kommen aus der Transportbox und fühlen sich gleich zu Hause.» Zwar arbeitet der Verein nur mit privaten Pflegestellen zusammen, dennoch fühlen sich laut Gutermann einige Stubentiger ebenso in Tierheimen und der damit verbundenen Gruppenhaltung wohl. Sie plädiert dennoch für ein privates Zuhause, da es für die Katze einfacher sei, sich einzugewöhnen. «Meist hat sie nur wenig oder gar keine anderen Katzen um sich herum und kann daher ihr neues Domizil in Ruhe erkunden.» Kleiner Tipp: Gewohnte Gerüche in Form von Spielzeug oder gar Möbelstücken helfen.
Die Bindung macht’s
Wenn man umzieht und seine Katze zurücklässt, weil man der Meinung ist, Katzen seien ortsgebunden, ist das nun richtig oder falsch? Zwar ist es ein Klischee, dass jede Katze ortsgebunden sei, doch auszuschliessen ist diese Veranlagung nicht. Genau wie bei den Menschen auch, kommen die einen besser mit einem Perspektivenwechsel klar als die anderen. Es kommt auf die Bindung an. Denn eines ist sicher, Kurt Tucholsky hat es sich zu leicht gemacht.
Der Schriftsteller war einst der Meinung «Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal». Doch heute, rund 100 Jahre später, spricht die Wissenschaft mehrheitlich eine andere Sprache. Das Gros der Studien belegt die Bindungsfähigkeit von Katzen, zeigt, dass sie sich oft an ihrem Halter orientieren, sich ihm nahe fühlen und in seiner Gegenwart entspannt sind. Und genau das ist der Knackpunkt. Wurde das Büsi von Menschen aufgezogen, ist gut sozialisiert und hat Vertrauen in seinen Zweibeiner, «ist es sicher mindestens so am Halter wie am Ort gebunden», sagt Turner.
Ihm fällt im Regelfall ein Umzug leichter als einer Katze, die eher unabhängig, etwa als Bauernhofkatze, aufgewachsen ist und erst spät in menschliche Obhut kam. «Jede Katze reagiert jedoch anders», so Gutermann. Sie hat auch schon erlebt, dass Katzen nach einem Umzug regelrecht aufgeblüht sind und sogar mehr dem Menschen zugetan waren als zuvor. Umzüge zur Gewohnheit werden lassen, sollte man mit Katze aber auf keinen Fall. Denn egal wie aufgeschlossen der Stubentiger zu sein scheint, er braucht einige Zeit, um sich einzuleben, und fühlt sich von daher immer dort wohl und sicher, wo er sich bestens auskennt. Aber eben: Katzen sind Individualisten. Sie lassen sich nicht nach Schema F kategorisieren, nicht in Schubladen stecken. Die eine Formel, um das Tier glücklich zu machen, gibt es schlichtweg nicht.
Tipps zur Bindungsstärkung
- Jedes noch so winzige Ritual fördert die Beziehung.
- Nur streicheln, wenn die Katze es möchte; sie zu nichts zwingen.
- Zieht sich die Katze zurück, sollte man ihr die Ruhe gönnen.
- Hektisches, lautes Reden verschreckt Katzen. Sie bevorzugen leise Töne in eher tieferen Tonlagen.
- Sucht die Mieze Aufmerksamkeit, sollte man sie nicht ignorieren.
- Trotz aller Verliebtheit: Dem Stubentiger nicht zu lange starr in die Augen schauen. Das könnte er als Drohung empfinden.
- Ob Gestik oder Lautäusserungen, Katzen kommunizieren mit uns. Man muss sie nur verstehen lernen.