Hundegebell auf dem Balkon - ärgerlich für Nachbarn und Hundehalter

Alles über das Bellverhalten von Hunden

Warum bellen Hunde? Viele unserer Rassehunde wurden ursprünglich für das Bewachen von Haus, Hof oder sonstigem Eigentum, für das Melden Fremder oder für das lautstarke Treiben von Nutztieren gezüchtet.

Text: Ingrid Blum/Roman Huber   Titelbild: Melinda Nagy/stock.adobe.com

«Still jetzt! Psst! Aus! Ruhe! Fertig!», schreit der Hundehalter, nachdem es an der Tür geklingelt hat. Der Hund rennt wild bellend vor der Eingangstüre herum, man kann vor lauter Lärm nichts mehr verstehen. Weil Menschen meistens in solchen Situationen mit lautem und aggressivem Tonfall den bellenden Hund «abstellen» möchten, bedeutet hingegen diese Stimmung für den Hund: Erhöhte Alarm- und Abwehrbereitschaft. Aus Sicht des Hundes hat der Mensch ein echtes Problem, da er sich so überdreht benimmt, weshalb der Hund immer lauter wird und quasi mitbellt.

Bedeutung des Hundegebells

Bellen ist grundsätzlich keine Verhaltensstörung, sondern kann zu störendem Verhalten werden. Bellen drückt immer eine emotionelle Verfassung aus. Verhaltensforscher fanden heraus, dass Hunde aufgrund ihrer Anpassungsähnlichkeit das Bellen als einen Kanal der Kommunikation mit uns Menschen verfeinert haben. Menschen reden, Hunde vokalisieren. Bei Testreihen mit Kindern ab sechs Jahren kam heraus, dass Kinder in diesem Alter Hundegebell ab Tonband emotionell verstehen können. Blind geborene Menschen brachten Ergebnisse auf ähnlichem Niveau wie Sehende. Bei Hunden, die mit Menschen zusammenleben, wird Bellen häufig beobachtet. Bei streunenden und wilden Hunden tritt es hingegen nur selten auf.

Die akustische Struktur des Hundebellens spiegelt den inneren Zustand wider. Zum Beispiel sind bei isoliert gehaltenen Hunden die Töne höher als bei einem Hund, welcher wegen der Türklingel bellt. Auch rassetypische Besonderheiten wurden im Bellverhalten deutlich erfasst.

Ursachen für Bellverhalten

Wenn Hunde allein sein müssen und dies noch nicht können, rufen sie nach vertrauter Gesellschaft. Dieser Ruf ist hoch frequentiert, monoton und anhaltend, kann auch in Heulen übergehen. Droht Gefahr, rufen Hunde um Hilfe. Der Ton ist warnend, kurz und scharf. Bei Vorfreude oder Freude ist das Bellen hoch frequentiert, rasch aufeinanderfolgend in Serie. Gleiches Bell-Muster kann man auch beim Anblick anderer Hunde hören.

Wenn Hunde mit bestimmten Umwelteinflüssen oder Lebensumständen ihres Alltages gebührend überfordert sind, stehen sie unter chronischem Stress, welcher sich in aufgeregtem Bellen als Reaktion zeigen kann. Angstbellen klingt hysterisch, im Ton spürt man die Angst mitschwingen.

Bellender Hund

Einsame Hunde rufen nach vertrauter Gesellschaft.
Foto: santiago silver/stock.adobe.com

Rassetypisches Bellen

Wählt man eine Rasse, die genetisch fixierte Eigenschaften wie zum Beispiel Wachsamkeit, Territorialität, hohe Erregbarkeit, Hartnäckigkeit oder auch Selbständigkeit mitbringt, darf man damit rechnen, dass Belllaute im Alltag dazugehören.

Bellen aufgrund von Reizüberflutung

Emigrierte Hunde, die sich plötzlich in einer ihnen unbekannten Welt befinden, können anfänglich sehr zurückhaltend und stoisch ruhig wirken. Neue Eindrücke, ständige Reizüberflutung, nicht selber handeln können, weil angeleint, unbekannte Geräusche und unbekannte Sprache, schlechte Erfahrungen, die Angst auslösen, können bei übernommenen Hunden zum Bell-Problem werden.

Bellen aus gesundheiltlichen Gründen

Auch gesundheitliche Ursachen, oft genetisch bedingt, begünstigen verunsichertes Bellen. Nicht wenige Hunde leiden an Sehschwächen oder sind hörbehindert, ohne dass dies der Halter sofort merkt. Solche Einschränkungen können sich in vermehrtem Bellen äussern, wenn in der Ferne etwas noch Unerkanntes auftaucht. Oder Hunde erschrecken sich, wenn sie manche Tonfrequenzen nicht wahrnehmen können und dann das Ereignis plötzlich vor ihnen steht.

Bellen im Alter

Im Alter werden auch beim Hund manche Sinne schlechter. Wenn alte Hunde dann bellen, hören sie sich nicht mehr selber, also bellen sie höher oder schriller. Auch Menschen, die schlecht hören, reden lauter.

Hundegebell ist die Kommunikation vom Hund zum Mensch

Bellen gehört zur Kommunikation von Hunden, so wie Miauen zu Katzen, Wiehern zu Pferden und Muhen zu Kühen gehört. Kaum jemand käme auf die Idee, genannten Tieren ihre Lautäusserungen abtrainieren zu wollen, nur bei Hunden sieht das anders aus. Da nervt das Gebell oder Hunde werden als «Kläffer» tituliert. Das ist sehr unfair, denn Hunde haben ihre Bell-Laute im Zusammenleben mit dem Menschen verfeinert und: Der Mensch hat den Hund bewusst und gewollt darauf selektiert.

Hunde unterhalten sich untereinander meistens nicht bellend. Diese Kommunikationsform ist der Ausdruck, dem Menschen etwas mitzuteilen. Die Ansprüche des Menschen in der heutigen Umwelt haben sich stark verändert. Von Hunden erwartet man, dass sie möglichst ruhig, angepasst und unauffällig sind. Sucht man sich eine Rasse aus, sollte man unbedingt auf die ursprüngliche Aufgabe achten, damit man weiss, was auf einen zukommen kann. Genetik ist nicht wegerziehbar. Wenn früher beispielsweise das Geläut der Meute dankbar geortet und dann zu Pferde verfolgt wurde, ist dieselbe Rasse heute immer noch lauthals unterwegs, auch ohne Meute. Die grossen und kleinen Wächter, welche man auf den Höfen hielt, um Alarm zu bellen, wenn Fremde erschienen, werden dieses Erbe auch heute noch zuverlässig anzeigen. Viele sollten Misstrauen gegenüber Fremden zeigen, und auch dies hat sich bis heute nicht verändert.
Hunde hatten ihren «Job» zu machen, der Mensch nutzte und formte die Fähigkeiten. Heute erledigen Hunde immer noch ihre genetisch fixierte Arbeit, nur haben sich Mensch und Umwelt verändert.  

Wie auf das Bellen reagieren?

Wichtig ist, den eigenen Hund gut kennen zu lernen. Wie wir wissen, steht hinter der Lautäusserung immer eine Emotion. Wir müssen herausfinden, welche, und dann sollten wir überlegen, was uns der Hund mitteilen möchte. Die Hilfestellung des Menschen ist gefragt, da Hunde vorwiegend mit ihren Menschen bellend kommunizieren. Zudem darf man davon ausgehen, dass Hundehalter wissen, dass Bellen natürlich ist, und dies dürfen sie auch ihrer Umwelt erklären. Unwissende Leute halten einen bellenden Hund bereits für gefährlich, das muss nicht sein.

Oft steckt hinter dem Bellen Angst oder Unsicherheit, aus welchen Gründen auch immer. Angst darf man nicht ignorieren und kann sie auch nicht bestrafen. Der Hund kann nichts dafür, wenn er Angst hat, und wir haben auch nicht zu entscheiden, ob er Angst haben darf. Wir müssen Hilfe anbieten und Vertrauen aufbauen, damit wir in unserer Schutzfunktion vom Hund ernst genommen werden. Bedeutet, wenn wir möchten, dass der Hund aufhört zu bellen, und ihm dies freundlich mitteilen, er uns auch trauen kann, dass wir die Aufgabe nun übernehmen und die Sache selbst regeln.

Arten von Hundebellen und Lösungswege

Alleinsein-/Auto-Bellen

Beim Alleinsein kann Angst oder Frustra­tion hinter dem Bellen stecken, beim Bellen im Auto auch Aufregung. Da beginnt man mit kurzen Sequenzen und löst die Situation auf, bevor das Bellen wieder einsetzt. Im jugendlichen Alter oder bei schlechten Erfahrungen tritt Bellen in diesen Situationen häufiger auf als beim erwachsenen Hund.

Angstbellen

Kurze, bei starker Angst langanhaltende Serien. Vorgängig werden meistens Beschwichtigungssignale gezeigt. Ängste sind nicht immer definierbar, schlechte Erfahrungen und Assoziationen oftmals unbekannt. Der Klassiker: Plötzliche Gewitterangst, weil der Hund bei einem Gewitter allein zu Hause war, oder Ängste vor Fremdem (Menschen, Tiere, Gegenstände, Räume). Hier heisst es, dem Hund zu helfen und ihn aus schwierigen Situationen herauszunehmen. Ignorieren von Angst kann bis zur Phobie führen. Ängste lassen sich nur schrittweise und über gute Verknüpfungen überwinden.

Freudengebell

Bei Begrüssung, hoher Erwartung (Vorfreude) gibt es oft ein länger anhaltendes aufgeregtes Bellen. Massnahmen: Schon vorher die Aufmerksamkeit reduzieren (nicht ignorieren!), eine Alternative anbieten; bellt der Hund bereits, Ruhe hineinbringen, gelassen bleiben, Hund neugierig machen oder aus der Situation herausnehmen. Häufig bei jungen Hunden (Aufregungsbellen bei Begegnungen), die mit Situationen erst umgehen lernen müssen.

Frustrationsbellen

Ständig wiederholendes Bellen in Serien, stillstehend oder mit Übersprungbewegungen. Oft als erlerntes Bellen erkennbar, bei dem der Hund mit Bellen jeweils die gewünschte Veränderung erreicht hat. Lösung: Den Hund aus der Situation nehmen und eine alternative Beschäftigung anbieten (möglichst ohne belohnenden Charakter).

Warnbellen

Dieses ist kurz und scharf, kommt bei Fremden vor. Reagieren ist hier wichtig, indem man dem Hund mitteilt, dass alles okay ist, man die Verantwortung übernimmt, splittet, die offene Handfläche als Beruhigungssignal zeigt. Beim Warnbellen, auch zu Verteidigungs- oder Bewachungszwecken, manchmal kombiniert mit Knurren, fühlt sich der Hund vielleicht unterlegen; er nimmt eine defensive Position ein oder zeigt Angriffsbereitschaft, zum Beispiel bei Verlustangst, wenn es um eine Ressource geht. Dieses Bellen wird oft mit Aggression oder Dominanz verwechselt. Die Lösung heisst Distanz schaffen, Situation entschärfen/klären oder den Hund herausnehmen und Zeit zur Beruhigung geben.