wachstumsstörungen bei hunden und katzen

Wachstumsphase bei Hund und Katze

Als Wachstum wird die Phase von der Geburt bis zum Erwachsenenalter bezeichnet, das Tier ist dann «ausgewachsen». Während dieser Zeit laufen sehr viele Prozesse im Körper ab: Nicht nur eine erhebliche Grössen- und Gewichtszunahme (z. B. beim Bernhardiner von 700 g zu 70 kg), sondern auch Zahn- und Fellwechsel sowie das Erreichen der Geschlechtsreife sind wichtige Stationen im Leben eines Hundes oder einer Katze.

Text: med. vet. Martin Balsiger / www.vettrust.ch  Titelbild: New Africa/stock.adobe.com

Dass bei so vielen gleichzeitig ablaufenden Prozessen auch Fehler passieren können, verwundert da nicht. Ausserdem treten manche Probleme bei gewissen Rassen mit grösserer Häufigkeit auf als bei anderen. In der Folge werde ich auf einige dieser Wachstumsstörungen eingehen, wie man sie erkennen und im besten Fall beheben oder gar verhindern kann.

Gefahr für grosse Rassen: Ellbogendysplasie (ED) und Hüftdysplasie (HD)

Weil das Skelett beim jungen Tier noch wächst, sind die Knochen noch nicht so «starr und fest» wie beim erwachsenen. Vielmehr sind sie ähnlich wie ein junger Zweig zu einem gewissen Grad flexibel und haben sogenannte Wachstumszonen, in welchen die Knochen durch Zellteilung stetig «verlängert» werden. Gerade in dieser Phase kann viel passieren, sei es durch Unfälle, Krankheiten oder Überbelastung (Sprünge, Treppensteigen).
Vor allem grosse und schnellwachsende Rassen (Deutscher Schäferhund, Labrador, Golden Retriever, Berner Sennenhund, Neufundländer, Dogge etc.) sind hier besonders gefährdet, da es durch die (zu) schnelle Gewichtszunahme und Hebelwirkung auf die Knochen zu nicht optimal entwickelten Gelenken kommen kann – eine Fehlbildung oder Dysplasie entsteht. Dadurch läuft das Gelenk «nicht rund», was mit der Zeit unweigerlich in Schmerzen resultieren wird. Mittel der Wahl, um diese Erkrankung sicher zu diagnosti­zieren, ist das Röntgen, welches beim entspannten, sprich anästhesierten Tier erfolgen sollte. Wenn eine Operation wie z. B. eine Kastration oder Zahnbehandlung geplant ist, lässt sich dies auch hervorragend kombinieren. Beachten Sie aber, dass das Tier für die zur Zuchtanerkennung gültigen Röntgenuntersuchung mindestens zwölf Monate alt sein muss.

Mit dem Treppensteigen sollte bei jungen Welpen lieber noch zugewartet werden.

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Risiko für kleine Rassen: Patellalux

Auch Kniescheibeninstabilität genannt, und ­dies beschreibt diese Krankheit schon ganz gut: Normalerweise läuft die Kniescheibe über die Gleitrinne des Oberschenkels. Bei kleinen Hunderassen wie Zwergspitz, Chihuahua, Yorkshire-­Terrier, Pekinese etc. kommt es zuweilen vor, dass diese Gleitrinne zu wenig ausgebildet ist und die Kniescheibe deshalb «herausrutschen» kann. Dies merkt man meistens dadurch, dass der Hund beim Laufen plötzlich ein Hinterbein nicht mehr biegen kann oder es kurz schütteln muss, bis es sich ­wieder einrenkt. Wenn der Hund aber geübt ist oder beide Beine gleichzeitig betroffen sind, kann diese Krankheit längere Zeit unerkannt bleiben. Durch das Aus- und wieder Einrenken der Kniescheibe wird jedes Mal ein bisschen Knorpel weggeschabt. Wird längere Zeit nichts dagegen unternommen, wird der Hund irgendwann unter Arthrose leiden. Glücklicherweise werden kleine Hunde standardmässig auf diese Problematik untersucht. Die Lösung liegt in einer Operation, während der die Gleitrinne vertieft wird, damit die Kniescheibe fortan nicht mehr herausspringen kann.

Probleme rund um den Zahnwechsel

Wie beim Menschen gibt es auch bei den Tieren die «ersten» und die «zweiten» Zähne: Das Milchgebiss wird nach einigen Monaten durch die bleibenden Zähne ersetzt. Dies ist nötig, weil auch der Kiefer mitwächst und sonst grosse Lücken zwischen den Zähnen entstehen würden. Normalerweise stossen die bleibenden Zähne die Milchzähne stetig nach aussen, bis diese ausfallen, es kann aber auch vorkommen, gerade bei Zwerg- (z. B. Chihuahua, Zwergspitz) und kurzköpfigen (z. B. Bulldogge, Mops) Rassen, dass die bleibenden Zähne an den Milchzähnen vorbeiwachsen und diese Zähne dann doppelt vorhanden sind. Da der Kiefer nicht dafür ausgelegt ist, können Kiefer und Zähne mit der Zeit Schaden nehmen und müssen fachgerecht, sprich von einem Tierarzt und in Narkose gezogen werden. Selbstversuche enden häufig in abgebrochenen Zähnen, da die tatsächliche Länge unterschätzt wird. Sollten Sie sowieso planen, Ihr Tier kastrieren zu lassen, lassen sich beide Operationen im besten Fall kombinieren.

Bei kleinen Hunderassen wie dem Yorkshire-Terrier kann es zu Knieproblemen kommen.

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Kryptorchismus: Wenn die Hoden steckenbleiben

Wie die Eierstöcke beim Weibchen liegen auch die Hoden des Männchens zunächst innerhalb des Bauchraums. Während des Wachstums wandern sie durch den Leistenkanal in den Hodensack ab. ­
Es kann vorkommen, dass ein oder gar zwei Hoden im Bauchraum verbleiben. Aus diesem Grund kon­trolliert die Tierärztin beim männlichen Welpen bei der Impfung oder beim Allgemeincheck, ob sich beide Hoden im Hodensack befinden. Sollte dies nicht der Fall sein, wenn die Geschlechtsreife ­(ca. mit sechs Monaten) erreicht ist, müssen die nicht abgestiegenen Hoden entfernt werden, selbst wenn Sie nicht planen, ihren Rüden kastrieren zu lassen. Der Grund für die OP liegt darin, dass der Hoden einerseits nicht für den «Betrieb» bei Körpertemperatur vorgesehen ist, was mit der Zeit sogar zu Hodenkrebs führen kann, andererseits kann es durch Druck der anderen Organe zu starken Schmerzen kommen.

HCM – zu dicker Herzmuskel

Um die aus gutem Grund abgekürzte Hypertrophe Kardiomyopathie der Katze am besten zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, dass das Herz ein Muskel ist. Und wie z. B. ein Bizeps wächst auch der Herzmuskel bei vermehrter Belastung, wird dicker. Was beim Training der Arme noch erwünscht sein mag, kann beim Herzen fatal sein, denn durch das Wachsen des Muskels wird gleichzeitig das Volumen an Blut, welches auf­genommen und weitergepumpt werden kann, deutlich kleiner und wir landen in einem Teufelskreis, in welchem das Herz schneller schlägt, dadurch noch dicker wird, noch weniger pumpen kann. Dies äussert sich in Hecheln, Husten, Schwäche, Atemnot und kann im schlimmsten Fall tödlich sein. Neben Krankheiten (Infektionen, aber auch Zahnprobleme), die als Ursache infrage kommen, gibt es auch Rassen, welche vermehrt davon betroffen sind: Maine Coon, British Kurzhaar, Perser, Ragdoll. Dies heisst im Umkehrschluss aber nicht, dass eine «Feld-/Wald-/Wiesenkatze» diese Krankheit nicht auch bekommen kann! Leider ist es häufig so, dass die HCM erst erkannt wird, wenn sie schon deutlich vorangeschritten oder es sogar schon zu spät ist. Lungenödeme (Wasser auf der Lunge) oder eine plötzliche Lähmung beider Hinterbeine (durch eine Thrombose) sind Fälle, welche durch eine Voruntersuchung wie einem speziellen Bluttest, Röntgen und Ultraschall verhindert werden können.

Fazit

Das Wachstum ist ein sehr heikler, wenn nicht sogar der heikelste Abschnitt im Leben eines Tieres, in welchem auch kleine Faktoren sehr entscheidend sein können. Die Früherkennung ist hier besonders wichtig, damit man entsprechend reagieren und Schlimmeres verhindern oder gegenlenken kann. Sollte Ihnen bei Ihrem Hund oder Ihrer Katze Ungewöhnliches auffallen, zögern Sie nicht, sich bei Ihrer Tierarztpraxis ­zu melden. Dort berät man Sie gerne ­in Sachen Fütterung, Haltung und Gesundheit, um zu gewährleisten, dass Ihr Liebling zu einem gesunden und stattlichen Tier heranwächst.